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Wachstumschancengesetz

Das sog. Wachstumschancengesetz (WCG) mit der Originalbezeichnung „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ ist in Kraft getreten. Damit folgen eine Vielzahl unterschiedlicher Gesetzesänderungen, welche den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken sollen. Wirksam werden die Änderungen größtenteils rückwirkend ab 2023 bzw. zum 1.1.2024, teilweise aber auch erst ab 1.1.2025 oder später. Einige Steuerentlastungen sind zeitlich befristet.

Während der Gesetzgebungsphase kam es immer wieder zu Änderungen und Streichung. So sank das ursprünglich geplante Steuerentlastungsvolumen von rund 7 Mrd. € plus Klima-Investitionsförderung auf etwa 3,2 Mrd. € und die Klima-Investitionsförderung wurde ersatzlos gestrichen.

 

1.    Kreditzweitmarktförderungsgesetz und Dezember-Soforthilfe 2022

 

Das Kreditzweitmarktförderungsgesetz, ursprünglich ein Teil des WCG, wurde aufgrund der Verzögerungen bei der Verabschiedung des Gesetzes als eigenständiges Paket herausgelöst. Die Verabschiedung fand bereits im Dezember 2023 statt. Im Gesetz enthalten ist auch die Behandlung der Dezember-Soforthilfe 2022. Dabei handelt es sich um die staatliche Übernahme des Gas- und Wärmeabschlags für den Monat Dezember 2022. Dieser war ursprünglich als sozialer Ausgleich steuerpflichtig, wurde nun aber durch Streichen der gesetzlichen Regelung für alle Empfänger*innen steuerfrei gestellt.

Achtung: Wer bereits über einen (bestandskräftigen) Einkommensteuerbescheid 2022 verfügt, in dem die Dezemberhilfe 2022 der Besteuerung unterworfen ist, sollte unverzüglich seinen Steuerberater kontaktieren, um den Steuerbescheid ändern zu lassen, was auch bei Bestandskraft wegen rückwirkender Streichung der Gesetzesgrundlage möglich ist.

 

2.    Änderungen insbesondere für Arbeitnehmende, Rentner*innen und Pensionär*innen

 

  • Wer als Arbeitnehmer*in ein nach dem 31.12.2023 angeschafftes elektrisch oder per Brennstoffzelle betriebenes Firmenfahrzeug des Arbeitgebenden auch privat nutzt, für die/den wird künftig bei Fahrzeugen bis zu 70.000 € (bisher 60.000 €) lediglich 25 % der Bemessungsgrundlage für die Berechnung des geldwerten Vorteils zugrunde gelegt.
  • Wer als Arbeitnehmer*in Arbeitslohn für mehrere Jahre oder Entschädigungen erhält, bekommt die Steuerermäßigung künftig nur noch über das Veranlagungsverfahren erstattet. Eine automatische Berücksichtigung durch die Arbeitgebenden erfolgt nicht mehr.
  • Regelungslücken für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer*innen werden ab 2023 geschlossen und eine Besteuerung vorgenommen, wenn ansonsten keine Besteuerung im Herkunftsland erfolgt. Tarifermäßigungen können beschränkt Steuerpflichtige im Veranlagungsverfahren ab 2025 in Anspruch nehmen.
  • Rückwirkend ab Renteneintritt 2023 wird der Besteuerungsanteil der Rente um 0,5 % gesenkt, für den Eintritt 2023 somit auf 82,5 %. Ansonsten hätte der Besteuerungsanteil bei 83 % gelegen. Für jeden Folgejahrgang reduziert sich der Besteuerungsanteil ebenfalls um 0,5 %.
  • Der Altersentlastungsbetrag wird dementsprechend ab 2023 angepasst. Die jährliche Verringerung beträgt anstatt 0,8 % nur noch 0,4 %. Der Höchstbetrag sinkt um 19 € anstatt 38 €. Beim Versorgungsfreibetrag gilt dies genauso. Der Höchstbetrag sinkt um jährlich 30 €, der Zuschlag um 9 €.
  • Ab 2024 soll auch in der Auszahlungsphase aufgrund Durchführung des Versorgungsausgleichs nach einer Ehescheidung eine Kleinbetragsrente abgefunden werden können. Bislang war dies nur zu deren Beginn möglich.

 

3.    Änderungen für alle Steuerpflichtigen

 

  • Der Verlustvortrag kann bis zu einem Betrag von 1 Mio. € bzw. 2 Mio.€ bei Zusammenveranlagung für jedes Verlustvortragsjahr genutzt werden. Darüber hinausgehende Verluste dürfen bislang beschränkt auf 60 % des Gesamtbetrags der Einkünfte geltend gemacht werden. Für die Jahre 2024 bis 2027 wird die weitergehende Verlustvortragsmöglichkeit auf 70 % erhöht. Dies gilt sowohl für die Einkommensteuer als auch für die Körperschaftsteuer. Ab dem Veranlagungszeitraum 2028 wird aufgrund der Mindestgewinnbesteuerung die Grenze von 60 % wieder gelten.

  • Ab 2024 werden die Thesaurierungsbegünstigungen verbessert. Das sind Finanzmittel, die so gestellt werden, als wären sie im Unternehmen belassen worden. Dadurch werden sie geringer besteuert als bei einer Entnahme. Der begünstigungsfähige Gewinn wird um die gezahlte Gewerbesteuer erhöht sowie um die Beträge, die zur Zahlung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags verwendet werden.

  • Die Freigrenze für private Veräußerungsgeschäfte wird ab 2024 von bislang 600 € auf 1.000 € erhöht. Dies dürfte vor allem Personen betreffen, die Kryptowährungen, Münzen oder Antiquitäten vor Ablauf einer einjährigen Haltefrist veräußern wollen.

 

4.    Änderungen für Unternehmer*innen und Wohngebäudevermieter*innen

 

  • Ab 2024 dürfen gewinnmindernde Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer*in des Unternehmens sind, 50 € betragen (anstatt bisher 35 €).
  • Die Sonderregelung zur privaten Nutzung von E-Fahrzeugen gilt auch für Unternehmer*innen.
  • Die/der Arbeitgeber*in konnte bislang Beiträge zu einer Gruppenunfallversicherung für seine Arbeitnehmenden nur bis zu durchschnittlich 100 € netto jährlich pauschal mit 20 % versteuern. Ab 2024 wird dieser Grenzbetrag aufgehoben.
  • Die bereits ausgelaufene Befristung der degressiven AfA auf bewegliche Wirtschaftsgüter wurde für Anschaffungen zwischen dem 1.4.2024 und 31.12.2024 wieder eingeführt. Das Zweifache der linearen Jahres-AfA bzw. 20 % dürfen allerdings nicht überschritten werden.
  • Ab 2024 wird bei der Einlage junger Wirtschaftsgüter (bis zu 3 Jahre) in ein Unternehmen nur dann mit den fortgeführten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten bewertet, wenn diese aus dem Privatvermögen stammen.
  • Für Unternehmen, deren Gewinn im Jahr vor der Anschaffung 200.000 € nicht überschreitet, ist bei der Herstellung oder Anschaffung beweglicher Wirtschaftsgüter die Inanspruchnahme einer Sonderabschreibung von 40 % (bislang 20 %) der Investitionskosten möglich, wenn die Anschaffung nach dem 31.12.2023 erfolgte.
  • Wer nach dem 30.09.2023 und vor dem 1.10.2029 mit der Herstellung eines Gebäudes zu Wohnzwecken beginnt oder innerhalb dieses Zeitraums den obligatorischen Vertrag über die Anschaffung rechtswirksam abgeschlossen hat, kann eine degressive Abschreibung von 5 % in Anspruch nehmen, darf aber auch zur linearen AfA wechseln. Dies gilt für Wohngebäude innerhalb der gesamten EU und auch des EWR.
  • Wer innerhalb der Zeiträume 1.9.2018 bis 31.12.2021 oder 1.1.2023 bis 30.9.2029 einen Bauantrag stellt(e) oder eine Bauanzeige tätigt(e), aufgrund derer bisher nicht vorhandene Mietwohnungen hergestellt oder angeschafft werden bzw. wurden, kann eine Sonderabschreibung in Höhe von 5 % für den Mietwohnungsbau in Anspruch nehmen. Die Wohnung muss fremdvermietet werden, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten dürfen 5.200 €/m2 Wohnfläche nicht übersteigen. Die Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibung beträgt allerdings maximal 4.000 €/m2 Wohnfläche.
  • Für Wirtschaftsjahre mit Beginn nach dem 31.12.2023 entfällt die Buchführungspflicht für gewerbliche Unternehmer*innen und Land- und Forstwirte, sofern der Gesamtumsatz 800.000 € (bisher 600.000 €) nicht übersteigt bzw. der Gewinn 80.000 € (bisher 60.000 €). Das Gleiche gilt für Einzelkaufleute.
  • Unternehmer*innen mit einem Gesamtumsatz von bis zu 800.000 € (bislang 600.000 €) können die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten anstatt nach vereinbarten Entgelten beantragen, was die Liquidität verbessern kann. Hierzu sollte im Zweifelsfall steuerlicher Rat eingeholt werden.
  • Steuerpflichtige, die Überschusseinkünfte von jährlich bis zu 750.000 € (vorher 500.000 €) erzielen, müssen ab 2027 die Aufzeichnungen und Unterlagen nur noch 6 Jahre aufbewahren. Für bis Ende 2026 bereits entstandene Aufbewahrungsfristen bleibt es bei den bisherigen Regelungen.
  • Ab 2024 werden Kleinunternehmer*innen grundsätzlich von der Abgabe der Umsatzsteuererklärungen befreit, es sei denn, das Finanzamt fordert sie dazu auf. Ferner ist die Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung sowie Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlung ab 2025 nicht mehr notwendig, wenn die Umsatzsteuer im Vorjahr 2.000 € nicht überschritten hat. Das Finanzamt soll hiervon in diesen Fällen befreien, im Bedarfsfall sollte mit der Steuerberatung Rücksprache gehalten werden.

 

5.    Einführung der E-Rechnung

 

Die Ausstellung elektronischer Rechnungen wird im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen (B2B) zukünftig verpflichtend, wenn beide in Deutschland ansässig sind. Die Ansässigkeit wird definiert durch Sitz, Geschäftsleitung oder Betriebsstätte im Inland. Bei Unsicherheiten empfiehlt es sich, steuerlichen Rat einzuholen.

Eine E-Rechnung ist eine in einem speziellen Format ausgestellte, übermittelte und empfangene Rechnung, die eine automatische Verarbeitung ermöglicht. Das Format muss einer EU-Norm entsprechen. Ausnahmen sind möglich, sofern die erforderlichen Angaben in maschinenlesbarer Form vorliegen. Zulässige Formate sind z.B. XRechnung und ZUGFeRD. Das teilweise bereits von Unternehmen genutzte EDI-Verfahren bleibt zulässig, könnte jedoch künftig Anpassungen erfordern.

Achtung: Eine reine PDF-Rechnung ist ab 1.1.2025 keine elektronische Rechnung mehr, sondern eine „sonstige Rechnung“.

Sämtliche Unternehmen müssen ab 1.1.2025 in der Lage sein, elektronische Rechnungen zu empfangen. Auch der Versand von E-Rechnungen ist grundsätzlich für sämtliche Unternehmen verpflichtend. Hierbei gibt es Übergangsregelungen, die wie folgt aussehen:

 

  • Unternehmen im B2B-Bereich mit einem Vorjahresumsatz > 800.000 € müssen ab 1.1.2027 E-Rechnungen versenden. Bis 31.12.2026 dürfen es noch „sonstige Rechnungen“ sein, z.B. Papierrechnung, PDF-Rechnung.
  • Unternehmen im B2B-Bereich mit einem Vorjahresumsatz < 800.000 € dürfen bis 31.12.2027 noch „sonstige Rechnungen“ versenden.
  • Ab 1.1.2028 müssen alle Unternehmen im B2B-Bereich E-Rechnungen auch versenden können.

 

Wer zwischen dem 1.1.2025 und dem 31.12.2027 noch keine E-Rechnung nutzt, aber ein anderes digitales Format wie z.B. die Rechnung im PDF-Format versendet, benötigt die Zustimmung des Empfängers. Keine grundsätzliche E-Rechnungspflicht gibt es im B2B-Bereich für nicht steuerbare oder steuerfreie Lieferungen und Leistungen, Kleinbetragsrechnungen unter 250 € und Fahrausweise. Für das Privatkundengeschäft (B2C) ist derzeit keine E-Rechnungspflicht geplant. Wer seiner Verpflichtung zur Teilnahme am E-Rechnungsverkehr nicht wie vorgeschrieben oder zu spät nachkommt, riskiert unter Umständen steuerliche Nachteile und auch Bußgelder von bis zu 5.000 €.

 

6.    Sonstige Maßnahmen

 

  • Bei Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sind künftig auch Investitionskosten förderfähig. Im Rahmen der Auftragsforschung wird der Fördersatz erhöht und das Verfahren sowie die Auszahlung erleichtert.
  • Ausländische gemeinnützige Organisationen, die in einem EU- oder EWR-Staat ansässig sind, sind auch im Bereich der Kapitalertragsteuer steuerbefreit. Diese Regelung gilt für sämtliche offene Verfahren.
  • Verfahrenspfleger und -beistände werden als begünstigte „Einrichtungen“ ab dem 1.4.2024 von der Umsatzsteuer befreit. Dies gilt auch im Vorfeld der Bestellung.
  • Ab 1.1.2025 werden Aussetzungszinsen auch auf die Vollziehung von Haftungsansprüchen ausgeweitet und damit der Erhebung von Aussetzungszinsen bei ausgesetzten Steueransprüchen gleichgestellt.

 


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(Rechtsstand 27.3.2024)

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